Vernachlässigte Tropenkrankheiten

1,7 Milliarden Menschen sind weltweit derzeit in Gefahr durch vernachlässigte Tropenkrankheiten (Neclected Tropical Diseases - NTDs) arbeitsunfähig, blind, entstellt, behindert zu werden oder zu sterben. Der ärmste Teil der Bevölkerung, vor allem Frauen und Kinder, ist am stärksten betroffen. Kinder können nur noch unregelmäßig zur Schule gehen, Frauen und Männer nicht arbeiten, werden von ihrer Umwelt stigmatisiert. Dabei wäre es in vielen Fällen möglich, die erkrankten Menschen erfolgreich zu behandeln.

Deutsches Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten

Forschung und Entwicklung im Bereich vernachlässigter Tropenkrankheiten müssen weitergeführt werden. Innovationen – neue Konzepte und Behandlungsmethoden, Diagnostik und die Entwicklung von neuen Impfstoffen und Medikamenten sind unerlässlich, um den betroffenen Menschen zu helfen.

Aber oft erreichen in manchen Gegenden die Medikamente, die zum Teil von den Pharmaherstellern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, die Menschen, die sie benötigen gar nicht oder nur unter großem Aufwand. Die sogenannte allerletzte Meile, also die letztendlich wenigen Schritte im Land, zum Dorf, das an keine Straße angebunden ist, das außerhalb des Versorgungsradius der Gesundheitssysteme liegt, kann nicht überwunden werden.

 

Mann am Mikroskop im Labor
Foto: © CERMEL, Lambarene

Nur im gemeinsamen Schulterschluss mit den Regierungen der wohlhabenden Industrieländer, in denen die NTDs endemisch sind, mit ihrem politischen Willen und mit Unterstützung von Gebern – philanthropischer Organisationen, der wohlhabenden Industrieländern, multilateraler Organisationen, wie der WHO und Weltbank, Pharmaunternehmen, die die Medikamente spenden und forschen, Nichtregierungsorganisationen, die NTD-Programme implementieren -  können die NTDs erfolgreich bekämpft oder im Idealfall, sogar ihr Ausbruch verhindert werden.

NTDs und Europa

In letzter Zeit wurden vereinzelte Ausbrüche von NTDs auch in Europa, außerhalb ihrer eigentlichen Ursprungsgebiete berichtet: Die Leishmaniose tritt besonders in den Tropen, Peru und Kolumbien und im östlichen Afrika auf. Sie wird durch die Sandfliege übertragen. Wahrscheinlich, aufgrund des Klimawandels, wurden auch in Deutschland Sandfliegen gefunden und Fälle von hier erworbener Leishmaniose berichtet.

In Südfrankreich, Kroatien, Griechenland und Madeira hatten sich Menschen vor Ort mit Dengue Fieber infiziert. Das Dengue-Fieber wird von Stechmücken der Art Aedes (die Gelbfiebermücke Aedes aegypti und die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus) in über 100 Ländern der Tropen und Sub-tropen übertragen und gilt als die häufigste durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung. Üblicherweise infizieren sich Touristen mit dem Dengue-Fieber bei einem Aufenthalt in Thailand oder Indonesien.

Es wurden auch Infektionen mit Bilharziose/Schistosomiasis gemeldet. Reisende hatten in Südkorsika im Fluss Cavo bei Porto Vecchio gebadet und sich dort im Wasser mit den Parasiten angesteckt.

Klimawandel

Der Klimawandel begünstigt die Verbreitung vernachlässigter Tropenkrankheiten. Extreme Wetterlagen, Starkregen, Überschwemmungen können Epidemien auslösen. Mückenlarven entwickeln sich schneller, wenn es warm ist. Forscher aus den USA und Südafrika haben festgestellt, wie sich die Ausbreitung von zwei Mückenarten durch verändertes Klima auswirken.  Es geht um Mückenarten, die das Dengue-Fieber, Zika und das Chikugunya-Fieber übertragen. Durch die globale Erwärmung in den nächsten 30 Jahren könnten sich durch die veränderte Ausbreitung der Mückenarten eine halbe Milliarde Menschen mehr dem Risiko von Tropenkrankheiten aussetzen.

Aktuelle Nachrichten

200. Geburtstag von Theodor Bilharz – Entdecker der Schistosomiasis-Erreger

Sigmaringen/Berlin, 23. März 2025 – Die Schistosomiasis ist nach Malaria die zweithäufigste Tropenkrankheit und betrifft laut WHO-Schätzungen weltweit rund 300 Millionen Menschen. Der deutsche Arzt und Wissenschaftler Theodor Bilharz entdeckte 1851, dass winzige Parasiten – sogenannte Pärchenegel – die Krankheit verursachen. Diese in seichten Gewässern lebenden Egel dringen als Larven über die Haut in den menschlichen Körper ein und können unbehandelt zu schweren Organschäden wie Leberzirrhose oder Nierenversagen führen. Zwar existieren heute wirksame Medikamente, doch viele Betroffene haben aufgrund von Armut und mangelnder Gesundheitsversorgung keinen Zugang zur Behandlung. Das Deutsche Netzwerk gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs) setzt sich deshalb für eine bessere Versorgung der Erkrankten ein.

Theodor Bilharz wurde 1825 in Sigmaringen geboren und studierte zunächst Philosophie und Naturwissenschaften, bevor er sich der Medizin zuwandte. 1850 promovierte er in Tübingen und ging anschließend nach Ägypten, wo er als Oberarzt an der Chirurgischen Klinik in Kairo tätig war. Später wurde er Chefarzt der Inneren Abteilung und schließlich Professor für Anatomie. Er verstarb 1862 im Alter von nur 37 Jahren in Kairo.

Zu Ehren seiner Entdeckung wurde die Krankheit lange als „Bilharziose“ bezeichnet, bevor sich der neutralere Name „Schistosomiasis“ durchsetzte. Auch außerhalb der Medizin trägt Bilharz’ Name Spuren: 1976 wurde ein Mondkrater nach ihm benannt.

Hörtipp Deutschlandfunk „Die dunkle Geschichte der Tropenmedizin“

Berlin, 06.03.2025 Im Magazin Zeitfragen des Deutschlandfunks hat Volkart Wildermuth einen Beitrag zur Geschichte und Zukunft der Tropenmedizin produziert. Die Radiosendung beleuchtet beleuchtet die kolonialen Belastungen der Tropenmedizin, insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten, und thematisiert aktuelle Forschungsansätze. Grundlage der Sendung sind die Statements der Panelistinnen und Panelisten  des Kamingesprächs des Deutschen Netzwerks gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten im Januar 2025.

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Das afrikanisch-deutsche Forschungsnetzwerks TAKeOFF beim Bundesministerium für Bildung und Forschung

Berlin, 27. Januar 2025 – Im Vorfeld des Welttags gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten informiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das afrikanisch-deutsche Forschungsnetzwerk TAKeOFF. Forschende beschäftigen sich mit der lymphatischen Filariose, einer durch Stechmücken übertragenen Infektion mit den Larven von Fadenwürmern (Filarien). Bei etwa 40 Millionen Betroffenen führt die Krankheit zur schwersten Ausprägung des Lymphödems, der sogenannten „Elephantiasis“. Ein zentraler Ansatz im Kampf gegen das filarienbedingte Lymphödem ist ein wirksames Krankheitsmanagement – eine koordinierte und strukturierte Versorgung chronisch Erkrankter.

Podcast zu Schlangenbissen

Hamburg, 04.07.2024 - Im Podcast „Infektiopod“ stehen Schlangenbisse im Mittelpunkt. Dr. Benno Kreuels vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin ist zu Gast. Der Podcast informiert seit 2019 über Infektionskrankheiten und wird vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) gefördert. Das Dreierteam aus Initiator Dr. Till Koch, Dr. Annette Hennigs und Dr. Elena Terhalle diskutiert in jeder Episode über bestimmte Krankheiten sowie aktuelle Forschungserkenntnisse.

Forschung an neuem Antibiotikum gegen Erreger der Flussblindheit und Lymphatischen Filariose

Bonn, 28.05.2024 - Ein Team um Prof. Dr. Achim Hoerauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie im Zentrum für Infektiologie und Infektionsschutz der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn entwickelt in Zusammenarbeit mit der Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Universität Bonn und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) ein Antibiotikum gegen Flussblindheit und Lymphatische Filariose. Das Projekt wird nun mit rund 5,6 Millionen Euro vom japanischen Global Health Innovative Technology (GHIT) Fund gefördert.

Vernachlässigte Tropenkrankheiten und 77. Weltgesundheitsversammlung 2024

Genf, 28.05.2025 - Anlässlich der 77. Weltgesundheitsversammlung beschrieb Thoko Elpick-Pooley, Executive Director, Uniting to combat NTDs bei der Devex-Veranstaltung From the margins to mainstream: Ending the neglect of NTDs, die bisherigen Erfolge in Togo und in Mali bei der Eliminierung der vernachlässigten Tropenkrankheten. Für sie sind politische Führung, engagierte Partner, die Suche nach innovativen Wegen der Finanzierung und kommunale Gesundheitshelferinnen und -helfer der Schlüssel zum Erfolg. Weitere Diskutanten waren Dr. Monique Wasunna, Africa Botschafterin von DNDi und Adam Weiss, Direktor des Guineawurm Eradizierungsprogramms, Carter Center.

Versorgungssicherheit bei Medikamenten

Berlin, 21.Februar 2024 - Bei einer Konferenz der Konrad Adenauerstiftung zu Globalen Ursachen und Folgen von Medikamentenmangel diskutierten auf dem Panel zu Internationalen Perspektiven auf die Versorgungssicherheit bei Medikamenten Vanessa Peberdy, IFPMA, Kathy Hauschild, action medeor, Eleni Katsis, Direct Relief und Kirti Narsai von der Universität von Kapstadt. U.a. wurde über die Herausforderungen bei Spendenprogrammen für vernachlässigte Tropenkrankheiten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gesprochen und die Notwendigkeit, neue Ansätze zu verfolgen.

Die Konferenz baute auf Erkenntnisse eines 2020 DFG-geförderten Forschungsprojektes auf, das sich mit den Ursachen und Folgen von Medikamentenengpässen beschäftigt. Neue Forschungsergebnisse nach der COVID 19-Pandemie wurden vorgestellt.

Einblicke in die Feldforschung in Gabun, Ghana, Madagaskar und Malawi

Welt-Tag gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

Hamburg, 30.1.2024 -Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) lud zu einer Infoveranstaltung in den historischen Hörsaal ein. Auf dem Programm standen Vorträgen zur Schistosomiasisforschung in Madagaskar, Schlangenbissvergiftungen mit Einblicken in Forschungsarbeiten in Gabun und Malawi und ein Vortrag zur Buruli Ulkus Forschung in Ghana, einer Erkrankung die der Forschung große Rätsel aufgibt, da nicht geklärt ist, wie sich die Menschen infizieren.

Unterausschuss Globale Gesundheit des Deutschen Bundestages befragt die Bundesregierung zu vernachlässigten Tropenkrankheiten

Berlin, 29.01.2024 – Im Vorfeld des Welttages gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten befragten Abgeordnete aus dem Unterausschuss Globale Gesundheit die Bundesregierung zu ihren Aktivitäten zur Bekämpfung der armutsassoziierten Infektionskrankheiten.

Dr. Georg Kippels MdB/CDU fragte, ob eine Bündelung der zahlreichen Aktivitäten zu NTDs in Zeiten der Haushaltskürzungen angedacht sei. Tina Rudolph MdB/SPD wollte mehr zur lokalen Impfstoffproduktion in Bezug auf NTD-Impfstoffe wissen. Kordula Schulz -Asche MdB/Bündnis 90-die Grünen erkundigte sich nach dem Monitoring von Vektoren, die u.a. auch vernachlässigte Tropenkrankheiten übertragen können und sich in Europa angesiedelt haben. In diesem Kontext fragte sie auch, was die Bundesregierung diesbezüglich von den Ländern des Südens lernen können. Herbert Wollmann MdB/SPD wies ebenfalls auf die Verbreitung der NTD-übertragenden Mücken u.a. in Italien und Griechenland hin und erkundigte sich nach den Plänen des Bundesministeriums für Gesundheit, um dieser Entwicklung gerecht zu werden. Der Vorsitzende des Unterausschusses Globale Gesundheit Prof. Dr. Andrew Ullmann MdB/FDP verwies auf eine Studie zum Forschungsstand von NTDs in Deutschland und erkundigte sich nach den Fortschritten, wie diese bislang von der Bundesregierung integriert wurden. Von Seite der Bundesregierung versuchten Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Bundesministeriums für Gesundheit, die Fragen der Abgeordneten zu beantworten.

WHO erkennt Noma offiziell als vernachlässigte Tropenkrankheit an

Genf, 15.12.2023 - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Aufnahme von Noma in die offizielle Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs) bekannt gegeben. Das wurde bei der 17. Tagung der Strategischen und Technischen Beratungsgruppe für vernachlässigte Tropenkrankheiten (STAG-NTD) empfohlen. Noma ist eine schwereErkrankung des Mundes und des Gesichts, betroffen sind vor allem unterernährte Kleinkinder im Alter zwischen 2 und 6 Jahren in Regionen mit extremer Armut. Sie beginnt mit einer Entzündung des Zahnfleisches, die sich, wenn sie nicht frühzeitig behandelt wird, schnell ausbreitet und Gesichtsgewebe und Knochen zerstört. Häufig führt sie zum Tod, wobei die Überlebenden schwer entstellt sind. Eine genaue Schätzung der Zahl der Noma-Fälle ist aufgrund des raschen Fortschreitens der Krankheit und der damit verbundenen Stigmatisierung, die dazu beiträgt, dass viele Fälle nicht diagnostiziert werden, schwierig. Noma-Fälle treten vor allem in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara auf, obwohl auch aus Amerika und Asien Fälle gemeldet wurden. Es gibt Hinweise darauf, dass Noma durch Bakterien im Mund verursacht wird. Noma ist nicht ansteckend, tritt aber in der Regel dann auf, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte geschwächt sind.

Die nigerianische Regierung war federführend bei der Aufnahme von Noma in die Liste der NTDs. Im Januar 2023 wurde im Namen von 32 Mitgliedstaaten ein offizieller Antrag bei der WHO eingereicht.

Das formelle Verfahren für die Aufnahme neuer Krankheiten in die NTD-Liste wurde von der STAG-NTD im Jahr 2016 eingeführt. Seitdem sind folgende Krankheiten hinzugekommen: Mycetom (2016), Krätze (2017), Schlangenbiss-Entzündung (2017) und Noma (2023). Mit Noma umfasst die NTD-Liste der WHO derzeit 21 Krankheiten oder Gruppen von Krankheiten.