Berlin, 28.2.2025 - Das DNTDs fordert die Bundesregierung, politische Parteien und insbesondere die neuen Bundestagsabgeordneten auf, sich für die Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten einzusetzen. Ziel ist es, die langfristige Resilienz dieser Programme zu sichern und ihre nachhaltige Finanzierung zu gewährleisten.
Millionen von Menschen weltweit droht, dass ihre Gesundheit und ihr Leben auf dem Spiel stehen, weil finanzielle Mittel der US-Behörde USAID, die zentrale entwicklungspolitische Maßnahmen der USA koordiniert, eingefroren wurden. Unter diese Maßnahmen fallen auch Programme zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten.[1]
USAID spielt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von Programmen zur Verabreichung von NTD-Medikamenten bei medikamentösen Massenbehandlungen (MDA), der Finanzierung von Forschungsarbeiten und der Koordinierung der Bemühungen mit den lokalen Gesundheitssystemen. Die Medikamente werden dabei in der Regel von Pharma-Unternehmen kostenlos bereitgestellt. Die WHO, nationale und internationale NGOs, Forschungsinstitutionen weltweit und lokale Gesundheitsministerien können nur noch eingeschränkt arbeiten.
Der enorme Erfolg der Programme zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten steht auf dem Spiel. Bis heute hat das Programm mehr als 3,3 Milliarden Behandlungen für mehr als 1,7 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt durchgeführt. Mit den Programmen konnte z.B. dafür gesorgt werden, dass mehr als 455 Millionen Menschen nicht mehr von lymphatischer Filariose (Elefantiasis), 196 Millionen Menschen nicht mehr von Trachom und 16 Millionen Menschen nicht mehr von Flussblindheit (Onchozerkose) bedroht sind.
! Das Deutsche Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten ist alarmiert: durch das Wiederauftreten oder vermehrte Verbreitung dieser Krankheiten werden wieder mehr Menschen an NTDs leiden! Der Erfolg jahrzehntelanger Bemühungen ist gefährdet !
Zur aktuellen Lage
- Eingefrorene Mittel für NTD-Programme: 20 Länder, die durch die Programme „Act to End NTDs / West“ und „Act to End NTDs / East“ unterstützt wurden, sind betroffen. Seit 2018 wurden durch das East-Programm 146 Millionen Behandlungen ermöglicht, 250.000 Community-Health-Worker ausgebildet, drei Länder waren auf dem Weg, mindestens eine NTD zu eliminieren. Sieben weitere Länder, die auf dem Weg waren, eine NTD in den nächsten zwei Jahren zu beseitigen, werden dieses Ziel nun möglicherweise nicht mehr erreichen.
- Keine Medikamentöse Behandlungen: Unternehmen hatten insgesamt 880 Millionen Medikamente im Wert von 975 Millionen Dollar (ca. 929 Mio €) zur Verteilung im Jahr 2025 gespendet. Es ist nun zu befürchten, dass geplante präventive medikamentöse Massenbehandlungen nicht mehr durchgeführt werden können. Medikamente mit ablaufendem Haltbarkeitsdatum bleiben ungenutzt und müssen vernichtet werden. Millionen von Menschen werden Behandlungszyklen verpassen. Dies wird bei den betroffenen Menschen zu Krankheit, Behinderung und wirtschaftlichem Niedergang und in einigen Fällen sogar zum Tod führen.
- Eingeschränkte Ernährungssicherungsprogramme: In abgelegenen Regionen und Konfliktgebieten werden lebensrettende Maßnahmen für Ernährung und Wasserversorgung verhindert. Die Folgen sind Unterernährung und damit ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit NTDs für die betroffene Bevölkerung.
- Keine verlässlichen Daten: Mehr als 400 diagnostische Erhebungen - Tests und Untersuchungen, die für die Messung des Fortschritts bei der Eliminierung von Krankheiten und die Ausrichtung nationaler Programme entscheidend sind - könnten ausfallen.
- Eingeschränkte Forschungsprogramme: Erforschung neuer Medikamente, Diagnostika und Interventionen gegen NTDs mussten weiter reduziert werden, klinische Studien werden abrupt gestoppt; medizinische und ethische Verpflichtungen werden dadurch missachtet.
- Unklare Alternativfinanzierung: Die große Finanzierungslücke ist schwer zu schließen, alternative Finanzierungsquellen sind unsicher.
Aktuelle Maßnahmen
- Krisenkoordination: Ein Notfallgremium bestehend aus WHO, NGOs, Pharmaunternehmen und betroffenen Gesundheitsministerien wurde eingerichtet.
- Bestandsaufnahme der dringendsten Bedarfe: Priorisierung der notwendigsten Maßnahmen in den betroffenen Ländern.
- Umverteilung vorhandener Ressourcen: Effizientere Nutzung bestehender Mittel zur Minderung der Versorgungslücken.
- Alternative Logistiklösungen: Zusammenarbeit mit Programmen wie GAVI, Malaria sowie Bildungs- und Gesundheitsministerien in den betroffenen Ländern zur besseren Medikamentenverteilung.
- Mobilisierung lokaler Ressourcen vor Ort: In endemischen Ländern wird versucht, auf kommunaler Ebene finanzielle und logistische Ressourcen zu erschließen.
- Funders-Meeting: In Planung mögliche Koordination durch die Gates-Foundation.
- Gespräche mit alternativen Gebern: Verhandlungen mit Stiftungen wie CIFF und Wellcome Trust.
- Sektorübergreifende Kooperationen: Zusammenarbeit mit HIV-, Malaria- und Tuberkulose-Programmen, aber auch UNICEF und Mütter- und Kinderversorgung zur Effizienzsteigerung.
Es ist essenziell, dass nationale und internationale Akteure rasch handeln, um bestehende Programme aufrechtzuerhalten und langfristig abzusichern!
Unsere Handlungsempfehlungen:
Finanzierungslücken schließen!
· Unterstützung der WHO-Initiative ESPEN („Expanded Special Project for Elimination of NTDs“), die die afrikanischen Länder bei der NTD-Bekämpfung unterstützt.
· NTD-Bekämpfung sollte auch in Programmen des Global Fund integriert werden.
Bilaterale Zusammenarbeit ausbauen!
· Erweiterung bestehender Gesundheitsprogramme für Partnerländer, z. B. gegen weibliche genitale Schistosomiasis in Malawi und darüber hinaus.
· Stärkung von Public-Private-Partnerships (PPP), um Medikamentenspenden und logistische Unterstützung mit der Privatwirtschaft sicherzustellen.
· Ausbau lokaler Gesundheitssysteme zur langfristigen Eigenverantwortung betroffener Länder.
Wissenschaftliche Kooperation fördern!
· Erhöhung der Forschungsgelder für NTDs, inklusive Entwicklung neuer Medikamente, Diagnostika und Impfstoffe.
· Stärkere Vernetzung deutscher Forschungseinrichtungen mit Universitäten und Instituten in betroffenen Ländern, vor allem in Afrika.
· Stärkung des NTD-Sektors und der Afrikanischen Partnerinstitutionen innerhalb des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF).
· Dauerhafte Förderung der Forschungsnetzwerke in Subsahara-Afrika entsprechend der Afrika-Strategie des BMBF („Research Networks for Health Innovations in Sub-Saharan Africa“).
· Dauerhafte Förderung der Globalen Zentren für Gesundheit und Pandemievorsorge des DAAD, finanziert über das Auswärtige Amt.
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[1] Bereits die COVID-19-Pandemie (2020/2021) sowie der plötzliche Rückzug der britischen Regierung aus der Finanzierung zahlreicher Bekämpfungsprogramme (2019) hatten die weltweiten Bemühungen erheblich belastet