Aktivitäten der Mitglieder und Beobachter des DNTDs

+++ Dr. Georg Kippels begrüßt Gäste – erstmals Prof. Francisca Mutapi, Uniting to Combat NTDs (UTC) zu Gast

Berlin, 26. Juni 2025 – Beim Sommerempfang des Deutschen Netzwerks gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs) begrüßte Dr. Georg Kippels MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und ehem. Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten und zahlreiche Gäste aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

In seiner Ansprache unterstrich Dr. Kippels die Bedeutung der Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten (NTDs) – auch im Kontext begrenzter Haushaltsmittel. In seiner neuen Rolle als Staatssekretär wolle er sich, wann immer möglich, in ressortübergreifenden Runden der Bundesregierung dafür einsetzen, dass neben nationaler auch internationale Gesundheitspolitik mitgedacht wird. Besonders wichtig sei es, dass sich auch in der aktuellen Legislaturperiode wieder engagierte Abgeordnete finden, die die Entwicklungsministerin in diesem Themenfeld unterstützen. Auch der wirtschaftliche Nutzen erfolgreicher NTD-Programme müsse stärker berücksichtigt werden. Obwohl er formal nicht mehr für Entwicklungspolitik zuständig sei, werde er sich weiterhin aus persönlicher Überzeugung für die NTD-Bekämpfung einsetzen.

Zu Gast beim Sommerempfang war Professor Francisca Mutapi, seit März 2024 stellvertretende Vorsitzende des Vorstands von Uniting to Combat NTDs. Sie ist Professorin für Global Health Infection and Immunity, stellvertretende Direktorin der TIBA-Partnerschaft (Tackling Infections to Benefit Africa) sowie Co-Direktorin der Global Health Academy an der University of Edinburgh.

Prof. Mutapi hat mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit bedeutende Beiträge zur weltweiten Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten geleistet – unter anderem durch ihre enge Zusammenarbeit mit der WHO und betroffenen Regierungen. Ihre Forschung zur pädiatrischen Schistosomiasis führte 2012 zur Empfehlung der WHO, auch Vorschulkinder auf die Krankheit zu testen und zu behandeln. In Simbabwe war sie federführend an der Entwicklung des nationalen Wurmkontrollprogramms für Schulkinder beteiligt. Heute koordiniert sie auf kontinentaler Ebene die TIBA-Partnerschaft, ein afrikanisch geführtes Netzwerk, das in neun Ländern aktiv ist.

In Berlin machte Mutapi auf die Herausforderungen aufmerksam, die durch den Rückzug von USAID aus der Finanzierung vieler NTD-Programme in Afrika entstanden sind. Die ohnehin überlasteten Gesundheitssysteme müssten neue Wege der Integration finden. Sie plädierte für einen Paradigmenwechsel. Einige NTDs, z.B. Trachom, würden mit Antibiotika behandelt – dort sei es notwendig, die Zahl der unnötigen Massenbehandlungen zu reduzieren und stattdessen gezielt Erkrankte zu identifizieren. Sie lobte das Engagement der deutschen Bundesregierung, insbesondere im Bereich der Bekämpfung weiblicher genitaler Schistosomiasis, und betonte die Fortschritte innerhalb der Afrikanischen Union, wo UTC politische Entscheidungsträger gezielt sensibilisiere.

Matthias Seiche, Referatsleiter für Pandemieprävention & One Health im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), betonte die entwicklungspolitische Relevanz der NTD-Bekämpfung. Ziel sei es, den betroffenen Menschen – häufig den ärmsten der Welt – ein Leben in Würde zu ermöglichen. Der entwicklungspolitische Grundsatz Leave no one behind sei dabei aktueller denn je. Seiche hob die enge Kooperation mit dem Bundesministerium für Forschung, Technik und Raumfahrt (BMFTR) hervor, insbesondere im Bereich der Produktentwicklungspartnerschaften. Diese werden durch BMZ-Programme ergänzt, etwa wenn es um die Marktreife und Verteilung neuer Medikamente gegen NTDs geht. Angesichts stagnierender Budgets sei es wichtig, NTDs in andere gesundheitspolitische und entwicklungspolitische Vorhaben – etwa im Rahmen von One Health – strategisch zu integrieren.

Der Abend wurde von Prof. Dr. Achim Hörauf, Sprecher des DNTDs Direktor des Instituts für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie an der Uniklinik Bonn moderiert.

Prof. Martin Kollmann : Brückenbauer bei der Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten

Berlin, 18.06.2025 - Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verlieh erstmals den Engagementpreis in der Kategorie Lebenswerk. Ausgezeichnet wurde Prof. Dr. Martin Kollmann, Gründungsmitglied des Deutschen Netzwerks gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs). Mit der Ehrung würdigt das BMZ sein über drei Jahrzehnte andauerndes, außergewöhnliches Engagement im weltweiten Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs). Zusätzlich wurden jeweils zwei Preise in den Kategorien Junges Engagement und Langjähriges Engagement vergeben.

In einer feierlichen Zeremonie überreichte Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan die Auszeichnungen. In ihrer Laudatio hob sie die Preisträgerinnen und Preisträger als Vorbilder hervor und betonte, dass die Herausforderungen in dieser Welt nicht abnehmen. Eine bessere Zukunft sei nur möglich, wenn viele Verantwortung übernehmen. Die Ausgezeichneten seien ein starkes Zeichen dafür. Sie zeigten, wie sich komplexe, oft abstrakte Themen in konkrete Hilfe für Menschen übersetzen lassen – mit der klaren Botschaft: Ihr seid nicht allein. Ihr habt unsere Solidarität.

Rund 80 Gäste, darunter Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft sowie ehemalige Preisträgerinnen und Preisträger, nahmen an der Veranstaltung teil. Jochen Steinhilber, Leiter der BMZ-Abteilung Flucht, Krisenprävention und Zivilgesellschaft, würdigte Prof. Kollmann in seiner Ansprache als engagierten Arzt und Vorkämpfer für vernachlässigte Bevölkerungsgruppen. NTDs seien ein Symbol für globale Ungleichheit – und Prof. Kollmann setze sich seit Jahrzehnten mit großer Konsequenz für deren Bekämpfung ein.

Der Preis ehre ihn nicht nur für seine medizinische Arbeit, sondern auch für seine herausragende Fähigkeit, Brücken zu bauen – zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Als Netzwerker und Mentor würde er zudem viele junge Menschen für das Thema sensibilisieren und inspirieren.

DNTDs bei der ersten gemeinsamen Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie, der British Society for Parasitology und der Schweizer Gesellschaft für Tropenmedizin und Parasitologie (SGTP)

Würzburg, 13. März 2025 – In der Session Neglected Parasites and One Health bei der gemeinsamen Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie, der British Society for Parasitology und der Schweizer Gesellschaft für Tropenmedizin und Parasitologie warnte Prof. Dr. Achim Hörauf, Sprecher des Deutschen Netzwerks gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs) und Direktor des Instituts für Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie am Universitätsklinikum Bonn, vor der schwierigen finanziellen Lage in diesem Forschungsbereich.

„Die nächsten Jahre werden ausschlaggebend sein, ob die Erfolge bei der Bekämpfung der NTDs weitergeführt und womöglich einige der Krankheiten eliminiert werden können, oder ob die Arbeit von vielen Jahren zunichte gemacht wird. Die große Herausforderung sei der Mittel-Stopp der US-Behörde USAID, aber auch die Ankündigungen der Bundesregierung Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen. Das lässt nichts Gutes befürchten“, so Hörauf in seinem Vortrag.

Konferenzleiter Prof. Dr. Markus Engstler, Mitglied des DNTDs, bedauerte in seiner Eröffnungsrede, dass einige Kolleg:innen aus den USA aufgrund der aktuellen Entwicklungen nicht anreisen konnten. Er unterstrich die Bedeutung internationaler Kooperationen und hob hervor, dass Konferenzen wie diese wesentlich zur Stärkung der wissenschaftlichen Exzellenz in Europa beitragen.

In der NTD-Session verwies Prof. Hörauf zudem auf die wichtige Arbeit und Zusammenarbeit der internationalen NTD-Netzwerke hin, die Arbeit der der Swiss Alliance against NTDs und der UK Coalition against NTDs stellte er kurz vor.

 

Die Unterbrechung der US-Finanzierung wird fatale Folgen haben für Menschen, die von vernachlässigten Tropenkrankheiten betroffenen sind

Berlin, 28.2.2025 - Das DNTDs fordert die Bundesregierung, politische Parteien und insbesondere die neuen Bundestagsabgeordneten auf, sich für die Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten einzusetzen. Ziel ist es, die langfristige Resilienz dieser Programme zu sichern und ihre nachhaltige Finanzierung zu gewährleisten.

Millionen von Menschen weltweit droht, dass ihre Gesundheit und ihr Leben auf dem Spiel stehen, weil finanzielle Mittel der US-Behörde USAID, die zentrale entwicklungspolitische Maßnahmen der USA koordiniert, eingefroren wurden. Unter diese Maßnahmen fallen auch Programme zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten.[1]

USAID spielt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von Programmen zur Verabreichung von NTD-Medikamenten bei medikamentösen Massenbehandlungen (MDA), der Finanzierung von Forschungsarbeiten und der Koordinierung der Bemühungen mit den lokalen Gesundheitssystemen. Die Medikamente werden dabei in der Regel von Pharma-Unternehmen kostenlos bereitgestellt. Die WHO, nationale und internationale NGOs, Forschungsinstitutionen weltweit und lokale Gesundheitsministerien können nur noch eingeschränkt arbeiten.

Der enorme Erfolg der Programme zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten steht auf dem Spiel. Bis heute hat das Programm mehr als 3,3 Milliarden Behandlungen für mehr als 1,7 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt durchgeführt. Mit den Programmen konnte z.B. dafür gesorgt werden, dass mehr als 455 Millionen Menschen nicht mehr von lymphatischer Filariose (Elefantiasis), 196 Millionen Menschen nicht mehr von Trachom und 16 Millionen Menschen nicht mehr von Flussblindheit (Onchozerkose) bedroht sind.

! Das Deutsche Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten ist alarmiert: durch das Wiederauftreten oder vermehrte Verbreitung dieser Krankheiten werden wieder mehr Menschen an NTDs leiden! Der Erfolg jahrzehntelanger Bemühungen ist gefährdet !

Zur aktuellen Lage

  • Eingefrorene Mittel für NTD-Programme: 20 Länder, die durch die Programme „Act to End NTDs / West“ und „Act to End NTDs / East“ unterstützt wurden, sind betroffen. Seit 2018 wurden durch das East-Programm 146 Millionen Behandlungen ermöglicht, 250.000 Community-Health-Worker ausgebildet, drei Länder waren auf dem Weg, mindestens eine NTD zu eliminieren. Sieben weitere Länder, die auf dem Weg waren, eine NTD in den nächsten zwei Jahren zu beseitigen, werden dieses Ziel nun möglicherweise nicht mehr erreichen.
  • Keine Medikamentöse Behandlungen: Unternehmen hatten insgesamt 880 Millionen Medikamente im Wert von 975 Millionen Dollar (ca. 929 Mio €) zur Verteilung im Jahr 2025 gespendet. Es ist nun zu befürchten, dass geplante präventive medikamentöse Massenbehandlungen nicht mehr durchgeführt werden können. Medikamente mit ablaufendem Haltbarkeitsdatum bleiben ungenutzt und müssen vernichtet werden. Millionen von Menschen werden Behandlungszyklen verpassen. Dies wird bei den betroffenen Menschen zu Krankheit, Behinderung und wirtschaftlichem Niedergang und in einigen Fällen sogar zum Tod führen.
  • Eingeschränkte Ernährungssicherungsprogramme: In abgelegenen Regionen und Konfliktgebieten werden lebensrettende Maßnahmen für Ernährung und Wasserversorgung verhindert. Die Folgen sind Unterernährung und damit ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit NTDs für die betroffene Bevölkerung.
  • Keine verlässlichen Daten: Mehr als 400 diagnostische Erhebungen - Tests und Untersuchungen, die für die Messung des Fortschritts bei der Eliminierung von Krankheiten und die Ausrichtung nationaler Programme entscheidend sind - könnten ausfallen.
  • Eingeschränkte Forschungsprogramme: Erforschung neuer Medikamente, Diagnostika und Interventionen gegen NTDs mussten weiter reduziert werden, klinische Studien werden abrupt gestoppt; medizinische und ethische Verpflichtungen werden dadurch missachtet.
  • Unklare Alternativfinanzierung: Die große Finanzierungslücke ist schwer zu schließen, alternative Finanzierungsquellen sind unsicher.

Aktuelle Maßnahmen

  • Krisenkoordination: Ein Notfallgremium bestehend aus WHO, NGOs, Pharmaunternehmen und betroffenen Gesundheitsministerien wurde eingerichtet.
  • Bestandsaufnahme der dringendsten Bedarfe: Priorisierung der notwendigsten Maßnahmen in den betroffenen Ländern.
  • Umverteilung vorhandener Ressourcen: Effizientere Nutzung bestehender Mittel zur Minderung der Versorgungslücken.
  • Alternative Logistiklösungen: Zusammenarbeit mit Programmen wie GAVI, Malaria sowie Bildungs- und Gesundheitsministerien in den betroffenen Ländern zur besseren Medikamentenverteilung.
  • Mobilisierung lokaler Ressourcen vor Ort: In endemischen Ländern wird versucht, auf kommunaler Ebene finanzielle und logistische Ressourcen zu erschließen.
  • Funders-Meeting: In Planung mögliche Koordination durch die Gates-Foundation.
  • Gespräche mit alternativen Gebern: Verhandlungen mit Stiftungen wie CIFF und Wellcome Trust.
  • Sektorübergreifende Kooperationen: Zusammenarbeit mit HIV-, Malaria- und Tuberkulose-Programmen, aber auch UNICEF und Mütter- und Kinderversorgung zur Effizienzsteigerung.

 Es ist essenziell, dass nationale und internationale Akteure rasch handeln, um bestehende Programme aufrechtzuerhalten und langfristig abzusichern!

 Unsere Handlungsempfehlungen: 

 Finanzierungslücken schließen!

·         Unterstützung der WHO-Initiative ESPEN („Expanded Special Project for Elimination of NTDs“), die die afrikanischen Länder bei der NTD-Bekämpfung unterstützt.

·         NTD-Bekämpfung sollte auch in Programmen des Global Fund integriert werden.

 Bilaterale Zusammenarbeit ausbauen!

·         Erweiterung bestehender Gesundheitsprogramme für Partnerländer, z. B. gegen weibliche genitale Schistosomiasis in Malawi und darüber hinaus.

·         Stärkung von Public-Private-Partnerships (PPP), um Medikamentenspenden und logistische Unterstützung mit der Privatwirtschaft sicherzustellen.

·         Ausbau lokaler Gesundheitssysteme zur langfristigen Eigenverantwortung betroffener Länder.

 Wissenschaftliche Kooperation fördern!

·         Erhöhung der Forschungsgelder für NTDs, inklusive Entwicklung neuer Medikamente, Diagnostika und Impfstoffe.

·         Stärkere Vernetzung deutscher Forschungseinrichtungen mit Universitäten und Instituten in betroffenen Ländern, vor allem in Afrika.

·         Stärkung des NTD-Sektors und der Afrikanischen Partnerinstitutionen innerhalb des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF).

·         Dauerhafte Förderung der Forschungsnetzwerke in Subsahara-Afrika entsprechend der Afrika-Strategie des BMBF („Research Networks for Health Innovations in Sub-Saharan Africa“).

·         Dauerhafte Förderung der Globalen Zentren für Gesundheit und Pandemievorsorge des DAAD, finanziert über das Auswärtige Amt.

[1] Bereits die COVID-19-Pandemie (2020/2021) sowie der plötzliche Rückzug der britischen Regierung aus der Finanzierung zahlreicher Bekämpfungsprogramme (2019) hatten die weltweiten Bemühungen erheblich belastet

Welttag gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten 2025

Berlin, 30. Januar 2025 – Anlässlich des Welttags gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten, in der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestags, betonte Dr. Georg Kippels MdB, Sprecher des Parlamentarischen Beirats gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten und dienstältestes Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Engagement der Abgeordneten bei der Bekämpfung dieser Krankheiten. Besonders hob er die langjährige Unterstützung von Prof. Dr. Andrew Ullmann und Prof. Dr. Helge Braun hervor.

Beim Kamingespräch des Deutschen Netzwerks gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten standen zwei bedeutende Jubiläen im Mittelpunkt: Der 200. Geburtstag von Theodor Bilharz und das 125-jährige Bestehen des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg.

Prof. Dr. August Stich, Chefarzt für Klinische Infektiologie am Universitätsklinikum Würzburg, spannte einen historischen Bogen vom ersten Kontakt europäischer Entdecker mit indigenen Völkern im 16. Jahrhundert über den Kolonialismus bis hin zur Wahrnehmung tropischer Krankheiten als Bedrohung, die es zu bekämpfen galt – insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Ausbeutung der Kolonien. Er thematisierte zentrale Akteure wie Louis Pasteur und Robert Koch sowie die Rolle der tropical doctors damals und heute.

Dabei verwies er auf die langfristigen Folgen des Kolonialismus, darunter den vom globalen Norden verursachten Klimawandel. Kritisch stellte er fest: „Versteckt ist noch immer ein Stück Rassismus in uns“ und forderte ein ehrliches Bekenntnis zu dieser Verantwortung sowie konkrete Maßnahmen zur Wiedergutmachung – auch im Bereich der Tropenmedizin.

Er beleuchtete die Geschichte der Tropenmedizin und hinterfragte kritisch die Strategien zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten. Zudem ging er auf die Rolle der Wissenschaft und der christlichen Mission ein, insbesondere im Kontext der Afrikanischen Schlafkrankheit und Bilharziose.

Angesichts aktueller politischer Herausforderungen in Deutschland, insbesondere der zunehmenden Abschottung gegenüber Migranten, schloss er mit einem afrikanischen Sprichwort: „Ich bin, weil ihr seid, und damit wir sind, bin ich.“

Prof. Dr. Jürgen May, Vorstandsvorsitzender des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) und Ehrenvorsitzender des DNTDs, thematisierte die aktuelle Debatte um den Namensgeber des Instituts, Bernhard Nocht (1857–1945). Vorwürfe, Nocht sei Rassist oder Nationalsozialist gewesen, wurden kritisch analysiert. 2022 beauftragte das Institut die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg mit einem Gutachten. Parallel dazu entstand eine Biografie zu Hamburg (post)kolonialem Erbe. Beide Werke werden derzeit diskutiert, und eine mögliche Umbenennung des Instituts steht zur Debatte.

Dr. Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm) in Tübingen, reflektierte die Verantwortung der Kirche in der Kolonialzeit und sprach über die Notwendigkeit, dass alle Menschen ein gleiches Recht auf Gesundheit haben. Sie betonte, dass heutige Ansätze auf Community Empowerment setzen und das zivilgesellschaftliche Engagement gewachsen sei. Zudem thematisierte sie die aktuelle schwierige Situation in Goma/DR Kongo und die Perspektivlosigkeit der dortigen Zivilbevölkerung.

Dr. Julien Alban Nguinkal, Bioinformatiker am BNITM, stellte die Chancen künstlicher Intelligenz in der Forschung vor. Er diskutierte, wie koloniale Forschungsstrukturen überwunden und Daten in Ländern des Globalen Südens in Echtzeit gesammelt und Forschenden vor Ort zugänglich gemacht werden können. Häufig dürften Forschungsergebnisse erst mit der Veröffentlichung der dazugehörigen Studien veröffentlicht werden, wodurch wertvolle Erkenntnisse den Forschenden vor Ort nur mit Verzögerung zur Verfügung stehen. Künstliche Intelligenz, wie ChatGPT, müssten mit Daten trainiert werden und nicht nur mit „westlichen“ Daten des globalen Nordens gefüttert werden. Er betonte die Notwendigkeit, lokale Akteure und Gesundheitsbehörden einzubinden und gezielt zu schulen.

Dr. Sophie Schneitler, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG), stellte eine Untersuchung zur Diskussion, ob der Begriff „Tropenmedizin“ noch zeitgemäß sei. Forschende aus dem Globalen Süden und Norden wurden dazu befragt. Die zentrale Botschaft aus dem Süden lautete: „Ihr kümmert euch um seltsame Dinge, wir arbeiten an den aktuellen medizinischen Problemen vor Ort.“ Sie wies darauf hin, dass die Verbesserung der medizinischen Ausbildung wichtiger sei als die Debatte um die Bezeichnung des Fachgebiets.

Die Veranstaltung wurde moderiert von Antonia Braus, stellvertretende Sprecherin des DNTDs, Referentin für One Health und wissenschaftliche Begleitung bei Tierärzte ohne Grenzen (ToGeV), sowie Dr. Dr. Carsten Köhler, Direktor des Kompetenzzentrums Tropenmedizin Baden-Württemberg am Institut für Tropenmedizin der Eberhard-Karls-Universität und des Universitätsklinikums Tübingen. Dr. Köhler ist zudem 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. s

Das Fazit der Veranstaltung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Forschung und Ausbildung müssen an die aktuellen globalen Herausforderungen angepasst werden. Die medizinische Ausbildung sollte stärker auf vernachlässigte Tropenkrankheiten eingehen, insbesondere im Hinblick auf Migrationsmedizin.
  2. Internationale Partnerschaft und Capacity Building sind entscheidend für eine nachhaltige Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten. Dabei müssen lokale Akteure in den betroffenen Ländern stärker eingebunden und weitergebildet werden.
  3. Technologische Innovationen wie Künstliche Intelligenz können helfen, Forschungsstrukturen zu dekolonisieren und Gesundheitsdaten in Echtzeit nutzbar machen.
  4. Privatwirtschaftliche Initiativen spielen eine zunehmende Rolle in der Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe für betroffene Regionen.
  5. Die Debatte um historische Verantwortung zeigt, dass die koloniale Vergangenheit der Tropenmedizin weiterhin kritisch reflektiert werden muss. Dies betrifft nicht nur Institutionen wie das Bernhard-Nocht-Institut, sondern auch die gesamte Forschungslandschaft.