Vernachlässigte Tropenkrankheiten und ihre Bedeutung für Europa - Chagas-Krankheit eine kaum beachtete Tropenkrankheit

++ Webtalk zum Auftakt der Aktionswoche zur Bekämpfung von NTDs

Berlin, 25.01.2021 – Zum Auftakt der Aktionswoche gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten hat das deutsche Netzwerk unter der Schirmherrschaft von Dr. Georg Kippels MdB, einen Webtalk zur Chagas-Krankheit organisiert.

Dr. Thomas Jacobs, Gruppenleiter am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg (BNITM) bedauerte, dass die Bekämpfung der Chagas-Krankheit keine Aufmerksamkeit erfährt. Es bedürfe wesentlich mehr Mittel - von der Forschung bis zum Zugang zu den Arzneimitteln - um die Krankheit einzudämmen. Vor allem in Europa würde das Thema ignoriert, obwohl die Krankheit durch Migration sich zusehends ausbreitet. In Spanien geht man von 48.000 – 90.000 infizierten Menschen aus. Allein in Hamburg, wo sein Institut aktiv ist, schätzt man 200 bis 1000 Betroffene.  

Dr. Simone Kann vom Missionsärztlichen Institut Würzburg beschrieb die Aktivitäten in Kolumbien, wie wichtig Hygienekonzepte, die Bekämpfung von lokalen Zwischenwirten aber auch Prävention bei der ländlichen Bevölkerung seien. Das heimtückische an der Chagas-Krankheit sei, dass sie oft über lange Jahre nicht sichtbar wird. Das Missionsärztliche Institut hat deshalb einen PCR Test entwickelt, mit dem man die Erregerlast messen kann.

Dr. Ulrich Madeja, Head of NTD-Program bei Bayer, wies auf die wichtige Zusammenarbeit der Arzneimittelhersteller mit der WHO hin, vor allem im Kontext der die Entwicklung und Implementierung eines regionalen Aktionsplans mit Partnern unter der Führung der WHO/PAHO hin.  Er betonte, dass die meisten an Chagas-Erkrankten keinen Zugang zu den Gesundheitssystemen hätten. Es sei eine Krankheit der Armen.

Dr Eric Chatelain, Head of Drug Discovery, DNDi betonte wie wichtig es sei, mit guten Studien zu arbeiten, die die Wirksamkeit von Arzneimitteln zeigen. Außerdem sei es wichtig neue Medikamente zu entwickeln, die besser verträglich sind. Derzeit werde eine Studie zur Wirksamkeit des Medikaments Fexinidazol evaluiert, das 2018 für die Schlafkrankheit zugelassen wurde.

Prof. Dr. Achim Hörauf, Sprecher des DNTDs, Direktor des Instituts für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie an der Uniklinik Bonn, fasste zusammen, dass man wohl realistisch sein und davon ausgehen müsse, dass die Erreger nicht auszurotten sind, da sie ein zoonotisches Reservoir haben. Das Corona Virus habe im Übrigen sehr bewusst gemacht, wie dynamisch Infektionskrankheiten sind.  Er plädierte einmal mehr dafür, dass Gelder in diesem Bereich national wie international deshalb nicht weniger, im Gegenteil, mehr werden müssten, will man in den nächsten Jahrzehnten den Infektionskrankheiten vorbereitet begegnen. Er unterstrich, die Bekämpfung der Chagas-Krankheit könne nur mit der Bekämpfung von Armut Erfolge zeitigen.

Hintergrund:

Zwei Drittel aller neuen Infektionskrankheiten stammen von Tieren ab. 60–70 % aller beim Menschen neu auftretenden Infektionskrankheiten stammen ursprünglich von Tieren: Auch die Chagas-Krankheit hat ein zoonotisches Reservoire. Sie ist eine der 20 vernachlässigten Tropenkrankheiten, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf Ihre Liste gesetzt hat, mit dem Ziel diese zu eliminieren. Eine Impfung gegen die Chagas-Krankheit gibt es nicht. Weltweit sind nach Schätzungen der WHO etwa 6 bis 7 Millionen Menschen infiziert, wobei der Großteil in Lateinamerika lebt (ca. 4,6 Millionen), gefolgt von den USA mit über 300.000 und Europa mit ca. 80.000 infizierten Menschen.

Die Ansteckungsgefahr mit vernachlässigten Tropenkrankheiten steigt in Europa insbesondere durch die Übertragung der Parasiten von latent infizierten Müttern auf die ungeborenen Kinder oder durch mit Chagas-Erreger kontaminierte Blutkonserven.

Ein Problem bei der Bekämpfung der Chagas-Krankheit ist, dass die Infektionskrankheit in der Regel nicht rechtzeitig diagnostiziert wird, da die Symptome am Anfang sehr unspezifisch sind (Symptome wie bei einer Erkältung).  Ohne Diagnose oder Behandlung kann aber die Chagas-Krankheit  zu schweren gesundheitlichen Komplikationen führen, wie Herzerkrankungen, die z.T. den Tod zur Folge haben.

Hintergrund zu deutschen Aktivitäten im Bereich Chagas

Am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin im Hamburg arbeiten ForscherInnen an einer Studie, um mehr über die Erkrankung in Deutschland herauszufinden. Sie widmen sich dem Screening, der Erforschung, der Prävention und der Aufklärung zur Chagas-Krankheit. Im Rahmen dieser Studie werden in Deutschland lebende Menschen lateinamerikanischer Herkunft über die Krankheit informiert. Bei Bedarf können die StudienteilnehmerInnen eine kostenlose Diagnose und Behandlung am BNITM erhalten. Außerdem setzt sich das Projekt für eine Veränderung der Präventionspolitik dieser Krankheit für lateinamerikanische Menschen ein.

Das Missionsärztliche Institut Würzburg leitet in ländlichen Gebieten Kolumbiens ein großes Projekt gegen die Chagaserkrankung. Das Programm folgt dem „One Health Ansatz“ und besteht aus drei Säulen: dem medizinischen Teil (Krankheitsscreening, observierte Therapie, Therapieerfolg und Patientennachverfolgung), dem Überwachungsteil (Screening nach den übertragenden Insekten, Sprayaktionen, Programminitiierungen) und dem Ausbildungsteil (über Chagas, infektiöse Erkrankungen, Hygiene, etc.). Zusätzlich werden auch Ko-Infektionen und andere sich neu ausbreitende infektiöse Krankheiten (z.B. gastrointestinale Infektionen, Leishmaniose, etc.) behandelt. Das Gesamtsystem wird betrachtet, in dem sich die Krankheit entwickelt und verbreitet. Es geht um Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, Tiermedizin, Humanmedizin und Ernährung.

Das deutsche Pharmaunternehmen Bayer z.B. unterstützt seit 2004 die WHO in ihrem Kampf gegen die Chagas-Krankheit, mit jährlich 1 Millionen kostenfreien Tabletten Lampit (Nifurtimox) und mit zusätzlichen 300.000 € pro Jahr für Logistik und Verteilung.

Das Institut für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn arbeitet mit der Drugs for Neglected Disease Initiative (DNDi, Genf) an der Entwicklung des Medikaments Fexinidazol gegen die Chagas-Krankheit, welches 2018 bereits für die Schlafkrankheit zugelassen wurde.

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