Aus für britische Programme zur Bekämpfung von vernachlässigten Tropenkrankheiten

+++ Streichung der zugesagten Mittel von 167 auf 17 Millionen britische Pfund

+++ Auswirkungen der Kürzungen auf deutsche Programme

Berlin/London - 07. Mai 2021. Die britische Regierung plant, laut Meldung der britischen Zeitung Telegraph und zahlreicher betroffenen Institutionen, ihre Hilfen im Bereich vernachlässigte Tropenkrankheiten von 167 Millionen britische Pfund (ca. 193 Mio EUR ) auf 17 Millionen britische Pfund (ca. 20 Mio. EUR) zu senken. Zwar hat die britische Regierung noch nicht bekannt gegeben, ab wann die Kürzung greifen soll, ExpertInnen gehen aber davon aus, dass die Maßnahmen ab sofort eingestellt werden sollen.

Die Kürzung hätte für die Bekämpfung der vernachlässigten Tropenkrankheiten verheerende Auswirkungen. Die Gelder, die gestrichen werden sollen, sind bisher vor allem für die Durchführung von medikamentösen Massenbehandlungen genutzt worden. Von Pharmaunternehmen gespendete Medikamente sind über diesen Weg an kranke Menschen verteilt worden. So würden z.B. Praziquantel Tabletten, die vom deutschen Unternehmen Merck kostenfrei zur Behandlung von Schistosomiasis (Bilharziose) zur Verfügung gestellt werden, die Menschen vor Ort nicht mehr erreichen. „Unsere Arbeit würde dadurch um Jahre zurückgeworfen werden. Allein in diesem Jahr werden ohne die nötige Implementierung vor Ort bis zu 35 Millionen Patienten nicht behandelt werden können. Die von uns bereits gelieferten Tabletten könnten so ungenutzt verlorengehen. Welche Auswirkungen diese Mittelkürzungen auf lange Sicht haben werden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht im Detail abschätzen“, sagt Dr. Johannes Waltz, Leiter des Programms zur Bekämpfung der Schistosomiasis bei Merck.

Auch die Nichtregierungsorganisation Christoffel-Blindenmission (CBM) wäre von den Kürzungen betroffen. Mit den Mitteln der britischen Regierung werden derzeit Partnerorganisationen in Südsudan vor allem bei der Bekämpfung der Augenkrankheiten Flussblindheit (Onchozerkose) und Trachom unterstützt. „Durch die Mittelkürzung werden schätzungsweise sechs Millionen Menschen dieses Jahr keine Behandlung erhalten können“, befürchtet Johan Willems, Programmmanager für vernachlässigte Tropenkrankheiten bei CBM. Ähnliches befürchtet Burkard Kömm, Geschäftsführer der DAHW, dessen Partner ihn informiert haben, dass im gesamten Nord-Osten Tansanias am Victoriasee die geplanten Behandlungszyklen für die Schistosomiasis ausfallen, wenn die britische Unterstützung nicht mehr da ist. Hunderttausende Schulkinder und Erwachsene in der Region würden für Jahre keine Behandlung mehr bekommen.

In einem offenen Brief hatten sich britische Organisationen, angesichts der zu befürchtenden, verheerenden Auswirkungen auf die NTD-Bekämpfungsprogramme, an ihre Regierung gewandt mit der Bitte, ihre Entscheidung zu überdenken. In ihrem Brief weisen sie darauf hin, dass auf die NTD-Programme lediglich ein Prozent der gesamten UK-Entwicklungshilfe entfielen und jedes einzelne britische Pfund der öffentlichen Hilfe von den Pharma- und den philanthropischen Partnern mit 26 britische Pfund (ca. 30 Mio. EUR) ergänzt wird. Sie fragen, wie es sein könne, dass Großbritannien, von heute auf morgen ihre zuvor gegebene Zusage von April 2021 bis März 2022 in 24 Ländern, darunter in einigen der meist unterversorgten und ärmsten Gemeinden, die Bekämpfung von vernachlässigten Tropenkrankheiten durch die Bereitstellung von 251 Millionen Behandlungen unterstützen zu wollen, einfach so zurücknehme?

Die Kürzungen im NTD-Programm stehen im Kontext der allgemeinen Einsparungen der britischen Regierung, die die öffentliche Entwicklungsfinanzierung von 0,7 Prozent des BIP auf 0,5 Prozent reduziert. Das Foreign, Commonwealth and Development Office (FCDO), das für die Entwicklungshilfe zuständig ist, soll so insgesamt 4 Milliarden britische Pfund (fast 5 Milliarden EUR) einsparen.

Der Geschäftsführer der DAHW, Burkard Kömm, fordert in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung eine schnelle und massive Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (ODA) speziell im Gesundheitsbereich, auf die international vereinbarte Quote von 0,7 Prozentz des Bruttonationaleinkommen. Momentan ist Deutschland lediglich bei 0,6 Prozent angelangt. Die zusätzlichen Mittel würden direkt zu einer besseren Gesundheit von Millionen von Menschen weltweit beitragen.  

Bei der Vermittlung von Interviewpartnern helfen wir Ihne gern weiter.

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